In seiner Schrift über die Seele (De Anima/peri psychês) grenzt sich Aristoteles zunächst von verschiedenen Vorgängertheorien ab. Deren Fehler bestehe zum einen darin, dass sie einen Substanzmonismus vertreten, wonach Körper und Seele materiell seien, oder aber einen Dualismus, wonach eine ontologische Kluft zwischen Seele und Körper bestehe. Aristoteles möchte dagegen einen dritten Weg zwischen Substanzdualismus und Monismus beschreiten. Zum anderen liege ihr Fehler darin, dass sie das (Einheits)verhältnis von Körper und Seele unterbestimmt lassen oder gänzlich falsch bestimmen. In der Regel werde hier der Körper als eine Art von beliebigem ‚passivem‘ Empfänger der Seele verstanden. Aristoteles bestimmt dagegen das Verhältnis beider als „Gemeinschaft“ (koinonía), wobei sowohl Körper als auch Seele jeweils in einem Sinne als bewegend und leidend aufgefasst werden, ein Moment der Aktivität und Passivität besitzen. Dies hängt mit Aristoteles‘ komplexer Kausalitätstheorie zusammen, die neben der Wirkursache (causa efficiens) noch eine Stoff-, Form- und Zweckursache kennt. Form- und Stoffursache sind aufeinander gerichtet und konstituieren einen bestimmten Körper. Die Seele ist also die Formursache eines natürlichen Körpers, der seiner Möglichkeit nach lebendig ist, und als materieller die Stoffursache des Lebens darstellt. Form- und Stoffursache verhalten sich im Lebewesen gegenläufig und komplementär zueinander. Weiterlesen →